Vortrag von Prof. Dr. Wilfried Stroh am Megina-Gymnasium Mayen

Professor Wilfried Stroh wirbt mit Witz und Energie für lebendiges Latein

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Latein ist tot ... und inzwischen zum fünften Mal gestorben.

Als Prof. Dr. Wilfried Stroh am 10. März 2011 in der Sporthalle des Megina-Gymnasiums zu seinem Vortrag De Latinae linguae dulcedine immortali - Vom Zauber des Lateinischen“ lud, der eine erfreulich hohe Resonanz innerhalb der Schüler- und Elternschaft fand, mussten die Besucher zunächst einmal feststellen, dass auch er diese oft zitierte These nicht widerlegen, sondern im Gegenteil imposant belegen wollte, obwohl Professor Stroh sich doch wie kaum ein anderer in den letzten Jahrzehnten um die Latinitas viva, das lebendige Latein, verdient gemacht hat.

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Schulleiter Prof. Dr. Visser begrüßt die Gäste und stellt den Redner vor

Der 1939 in Stuttgart geborene Wilfried Stroh studierte in Tübingen, Wien und München Klassische Philologie und promovierte 1967 in Heidelberg. Nach seiner Habilitation 1972 arbeitete er zunächst als Universitätsdozent in Heidelberg, bevor er von 1976 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005 Professor für Klassische Philologie an der LMU in München war. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Forschung im Bereich der antiken Literatur sind Rhetorik und Erotik, vor allem Cicero und Ovid. Hinsichtlich der lateinischen Literatur der Neuzeit hat er sich vor allem um die Werke des Jacobus Balde verdient gemacht. Sein besonderes Interesse gilt aber dem lebendigen Latein als gesprochener und gesungener Sprache, vor allem auch in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Komponisten Jan Novák. Dies stellte er auch exzellent während seines Vortrags am Megina-Gymnasium unter Beweis.

Er erläuterte plausibel und lebendig die inzwischen fünf Tode der lateinischen Sprache, die seiner Meinung nach letztlich erst zu ihrer Unsterblichkeit geführt haben.

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Prof. Dr. Stroh bei seinem überaus lebendigen Vortrag

Zunächst schilderte er die Entwicklung der lateinischen Sprache ab etwa 1200 v. Chr. bis zum ersten vorchristlichen Jahrhundert, in einem über 1000 Jahre andauernden Zeitraum, in dem das Lateinische zunehmend das Griechische als Literatursprache verdrängte. Doch mit dem Erreichen eines sprachlich-stilistischen Höhepunktes, etwa in der Kunstprosa des Cicero oder Werken wie der Aeneis des Vergil, erlitt die lateinische Sprache auch ihren ersten symbolischen Tod, indem sie sich von nun an kaum noch veränderte und sich zu einer kunstvoll stilisierten Schriftsprache entwickelte.

Dennoch überlebte die lateinische Sprache diesen Tod, auch dank des Christentums. Im Zuge der Völkerwanderung und mit dem allmählichen Auftreten der frühen romanischen Sprachen, verlor das Lateinische dann aber zusehends an Bedeutung und starb seinen zweiten Tod, da es sukzessive von den Volkssprachen verdrängt und nicht mehr als Muttersprache erlernt wurde.

Doch auch diesen Tod überstand die lateinische Sprache. Denn die Bildungsreform Karls des Großen (789 n.Chr.) führte zur Reinstitutionalisierung des Lateinunterrichts an europäischen Schulen. Nicht zuletzt dank dieser Reform erlebte die "mittellateinische" Literatur zwischen 800 und 1200 n. Chr. ihre Blütezeit. Allerdings starb das Lateinische nun seinen dritten symbolischen Tod, indem die Sprachschönheit in der Literatur zunehmend vernachlässigt wurde und das trockene "scholastische" Latein, das nun zwischen 1250 und 1500 n. Chr. an den in dieser Zeit neu entstehenden Universitäten als Wissenschaftssprache Verwendung fand, vorherrschte.

Doch Renaisssance und Humanismus unterbanden damals den endgültigen Untergang des Lateinischen. Schriftsteller wie Petrarca und Erasmus von Rotterdam, um nur die bekanntesten zu nennen, verhalfen ihr in der Tat zur einer weiteren Blütezeit. Erst als die Nationalsprachen im 17. Jahrhundert allmählich die Oberhand in Literatur und Wissenschaft gewannen, musste Latein einen weiteren schmerzvollen Tod erleiden.

Von diesem erholte sich die lateinische Sprache zwar im Zuge der Reformen des preußischen Gymnasiums, antihumanistische und nationalistische Tendenzen im ausgehenden 19. und beginnenden 20.Jahrhundert liefen dieser Entwicklung jedoch zuwider. Als fünften und (bisher) letzten Tod konstatierte Prof. Stroh den allmählichen Rückgang des Lateinunterrichts an Schulen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Umso erfreulicher ist es, dass diese Tendenzen in den letzten Jahren rückläufig sind und sich auch am Megina-Gymnasium zunehmend mehr Schüler/innen für Latein entscheiden. Dies bestätigt auch die hohe Anzahl an Schülern/innen, die in der MSS Latein als Leistungskurs belegen.

Verantwortlich für diese Unsterblichkeit sei, so Stroh, der Zauber des Lateinischen, und während seines äußerst kurzweiligen Vortrages konnte man geradezu spüren, welche außerordentliche Begeisterung Professor Stroh selbst für das Lateinische empfindet und eindrucksvoll zu vermitteln sucht. Der Zauber des Lateinischen zeigte sich am Donnertag Abend nicht zuletzt darin, mit welchem außerordentlichen Witz und welcher Energie Herr Stroh vom sukzessiven Dahinsterben der lateinischen Sprache berichtete und doch gleichzeitig mit jedem Wort ihre Lebendigkeit unter Beweis stellte.

Zudem bekamen die anwesenden Schülerinnen und Schüler einen nachhaltigen Eindruck von der universitären Arbeit sowie von Prof. Dr. Strohs außerordentlichen rhetorischen Fähigkeiten. Von Seiten der Schüler wurde es dementsprechend als gewinnbringende Erfahrung bewertet, einmal „die Uni in die Schule zu holen“.

S. Klapperich